Mündliche Erklärung der Innenministerin zum Opt-out
Mündliche Erklärung von Innenministerin Theresa May vor dem britischen Unterhaus zum Opt-out im Bereich EU-Innenpolitik und Justiz.
Mit Ihrer Erlaubnis, Mr Speaker, möchte ich eine Erklärung zu der Entscheidung abgeben, ob Großbritannien aus den Regelungen der EU im Justiz- und Polizeibereich, die vor dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags verabschiedet wurden, aussteigen sollte.
Wie den Abgeordneten bekannt sein wird, ist dies eine Einzelentscheidung, die die Regierung nach dem Lissabonner Vertrag bis zum 31. Mai 2014 zu treffen hat, wobei diese Entscheidung dann 1. Dezember 2014 wirksam wird. Sie betrifft rund 130 Maßnahmen, und bei einem Teil davon liegt es eindeutig im Interesse Großbritanniens sich daran zu beteiligen. Jedoch müssen wir, wenn wir wollen, dass nur einige Maßnahmen bindend für uns sind, von unserer Ausstiegsmöglichkeit en masse Gebrauch machen und uns dann bemühen, denjenigen Maßnahmen erneut beizutreten, die aus unserer Sicht in unserem nationalen Interesse liegen.
Die Regierung hat zugesagt, eine Abstimmung hier und im Oberhaus abzuhalten, bevor sie eine formelle Entscheidung in dieser Sache trifft. Diese Zusage werden wir einhalten. Nächste Woche werden die Abgeordneten Gelegenheit haben, über dieses Vorgehen zu debattieren und abzustimmen. Nachdem wir in Europa Gespräche geführt haben, wird eine weitere Abstimmung über die endgültige Liste von Maßnahmen stattfinden, bei denen Großbritannien offiziell einen Antrag auf Wiederbeitritt stellen wird. Mr Speaker, lassen Sie mich kurz über die Beweggründe sprechen, die die Regierung zu dieser Entscheidung geführt haben.
Grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen und die Sicherheit unseres Landes gewährleisten
Aus unserer Sicht sollte Großbritannien aus den fraglichen Maßnahmen aus grundsätzlichen, politischen und pragmatischen Gründen aussteigen. Und wir sollten nur denjenigen Maßnahmen wieder beizutreten versuchen, die uns helfen, mit unseren europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen und die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten.
Was das Grundsätzliche angeht, bin ich der festen Überzeugung, dass Großbritanniens internationale Beziehungen in der Polizei- und Justizarbeit in erster Linie eine Sache sind, über die die britische Regierung zu entscheiden hat. Politisch denke ich, dass Großbritannien die Möglichkeit hat – und weiterhin haben wird – zu entscheiden, ob es bei neuen Vorschlägen im Bereich Justiz und Inneres mitmachen sollte. Deshalb ist es nur richtig, dass wir die Chance nutzen zu prüfen, ob wir die Maßnahmen beibehalten wollen, denen die vorangegangene Regierung beigetreten ist, und von Fall zu Fall entscheiden, ob wir bereit sind, den Europäischen Gerichtshof künftig darüber Recht sprechen zu lassen. Und schließlich ist die Regierung pragmatisch. Ich habe schon früher gesagt, dass wir uns nicht der Gefahr aussetzen wollen, Verstöße zu begehen – und Geldbußen in Höhe von vielen Millionen Pfund zahlen zu müssen – indem wir weiter an Maßnahmen gebunden sind, die wir einfach nicht rechtzeitig umsetzen können. Das hätte keinen Sinn.
In manchen Bereichen beziehen sich die Maßnahmen auf Mindeststandards im materiellen Strafrecht. Selbst bevor diese beschlossen wurden, hatte Großbritannien bereits die große Mehrheit dieser Standards erfüllt beziehungsweise noch übertroffen – und das wird auch so bleiben, ob sie nun bindend für uns sind oder nicht.
Ansichten der Strafverfolgungsbehörden wurden gehört
Nicht nur die Menschen sind in den letzten Jahren mobiler geworden, auch die Kriminalität ist es. Die Regierung hat die Meinung der Strafverfolgungsbehörden, die diese Kriminalität bekämpfen, eingeholt und aufmerksam zur Kenntnis genommen. Wir haben erfahren, dass einige der unter diese Entscheidung fallenden Maßnahmen wichtige Instrumente sind, die sie zum Schutz der Öffentlichkeit benötigen. Die Regierung hat 35 Maßnahmen benannt, bei denen wir uns im nationalen Interessen um einen Wiedereinstieg bemühen werden.
Dieser Katalog von Maßnahmen – über den wir Gespräche mit der Europäischen Kommission und mit anderen Mitgliedstaaten aufnehmen wollen – sind in Command Paper 8671 dargelegt, das heute veröffentlicht wird. Eines möchte ich klarstellen: was als Nächstes geschehen muss, ist ein Prozess der Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten, und aus diesen Verhandlungen wird sich ergeben, wie unsere endgültige Liste von Maßnahmen aussieht, bei denen wir einen offiziellen Antrag auf einen Wiedereinstieg stellen werden. Wir haben aber versprochen, dass wir genau sagen werden, welches diese Maßnahmen sind, und den Abgeordneten Gelegenheit geben werden, darüber zu beraten, bevor wir sie um ihr Votum bitten werden – und das haben wir getan.
Mr Speaker, eine der Maßnahmen, an der wir uns wieder beteiligen möchten – und bei der bekanntlich viele Mitglieder eine starke Meinung haben – ist der Europäische Haftbefehl. Ebenso wie unsere Strafverfolgungsbehörden halten ich den Haftbefehl für ein wertvolles Instrument für die Rücküberstellung von Straftätern nach Großbritannien. Sein Vorgänger, das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957, weist gravierende Schwächen auf. Aufgrund des Haftbefehls konnten wir funktionierende Auslieferungsverfahren einrichten und beschleunigen – wie der Fall von Osman Hussain verdeutlicht, einer der Täter des gescheiterten Bombenanschlags in London im Juli 2005, der binnen weniger als acht Wochen von Italien nach Großbritannien ausgeliefert wurde. Und auch der Lehrer Jeremy Forrest, der im letzten Monat verurteilt wurde, weil er mit einer Schülerin nach Frankreich geflüchtet war, weniger als drei Wochen nach seiner Festnahme nach Großbritannien ausgeliefert.
Europäischer Haftbefehl
Allein seit 2009 konnten mit Hilfe des Haftbefehls aus Großbritannien 57 Tatverdächtige für Sexualstraftaten gegen Kinder, 86 für Vergewaltigung und 105 für Mord ausgeliefert werden. Umgekehrt wurden im gleichen Zeitraum 63 Tatverdächtige für Sexualstraftaten gegen Kinder, 27 für Vergewaltigung und 44 für Mord nach Großbritannien ausgeliefert, um ihnen hier den Prozess zu machen. Einige dieser Tatverdächtigen wären ohne den Haftbefehl wahrscheinlich nicht nach Großbritannien ausgeliefert worden. Wir schulden es ihren Opfern und deren Angehörigen, diese Personen vor Gericht zu stellen.
Aber auch der Europäische Haftbefehl hat Schwachstellen, wie Abgeordnete hier wortgewaltig erklärt haben. Die letzte Regierung hatte acht Jahre Zeit, um diese Schwachstellen anzugehen, und hat nichts unternommen.
Unsere Regierung hat Maßnahmen ergriffen, und ich schlage heute zusätzliche Garantien vor, um diese Probleme zu beheben und Personen, die ausgeliefert werden sollen, insbesondere britische Bürger, besser zu schützen.
Einige Abgeordnete haben Fälle geschildert, in denen der Europäische Haftbefehl unverhältnismäßig für sehr geringfügige Straftaten angewandt wurde. Dieses Problem will ich durch eine Änderung des Gesetzesentwurfs über antisoziales Verhalten, Kriminalität und Polizeiarbeit angehen, der sich gegenwärtig in der Ausschussphase befindet, womit es künftig möglich sein soll, den Haftbefehl bei geringfügigen Straftaten abzulehnen. Damit sollen Fälle wie der von Patrick Connor verhindert werden, der ausgeliefert wurde, weil er zusammen mit zwei Freunden im Besitz von vier gefälschten Banknoten gefunden wurden.
Auslieferung
Wir werden auch mit anderen Staaten zusammenarbeiten, um ihre Geldbußen einzutreiben und dafür zu sorgen, dass in Zukunft, wo möglich, eine Europäische Ermittlungsanordnung anstatt eines Europäischen Haftbefehls ausgestellt wird. So könnten Polizeibeamte und Staatsanwälte Erkenntnisse und Informationen austauschen, ohne in der Ermittlungsphase um eine Auslieferung eines Verdächtigen ersuchen zu müssen.
Andere Abgeordnete haben Bedenken hinsichtlich langer und vermeidbarer Untersuchungshaftzeiten geäußert. Ich werde unser Auslieferungsgesetz dahingehend ändern, dass Personen in Großbritannien nur dann nach einem Europäischen Haftbefehl ausgeliefert werden können, wenn der ersuchende Staat bereits einen Beschluss, Anklage zu ergeben, und einen Beschluss, ein Gerichtsverfahren abzuhalten, gefasst hat, außer in Fällen, in denen sich die Person in der Gerichtshoheit des Landes aufhalten muss, damit diese Beschlüsse gefasst werden können.
Viele Abgeordnete, und insbesondere der Abgeordnete für Enfield North, werden sich an den Fall von Andrew Symeou erinnern, der in Griechenland zehn Monate in Untersuchungshaft und weitere neun Monate gegen Kaution auf freien Fuß verbracht hat, um dann freigesprochen zu werden. Die Gesetzesänderung, die ich vorschlage, hätte es Andrew Symeou erlaubt, in seinem Auslieferungsverfahren anzufragen, ob Beschlüsse, ihn anzuklagen und ein Verfahren gegen ihn durchzuführen, ergangen waren oder nicht. Dies hätte seine Auslieferung zu dem Zeitpunkt, zu dem er überstellt wurde, verhindert, und möglicherweise wäre er überhaupt nicht ausgeliefert worden. Wir werden auch die Europäische Überwachungsanordnung umsetzen, damit es einfacher wird, Personen wie Herrn Symeou gegen Kaution nach Großbritannien zu entlassen.
Andere Abgeordnete halten es für bedenklich, Personen wegen Handlungen auszuliefern, die nach britischem Recht nicht strafbar sind. Ich werde unser Recht ändern, damit klar ist, dass in Fällen, in denen ein Teil des Verhaltens in Großbritannien stattfand und hier nicht strafbar ist, der Richter eine Auslieferung aufgrund dieses Verhaltens ablehnen muss. Ich habe auch vor, einen besseren Gebrauch von bestehenden Garantien zu machen, um mehr Schutz zu bieten: -
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Ich werde dafür sorgen, dass Personen, die einer Auslieferung zustimmen, nicht ihr Recht verlieren, nicht wegen anderer Straftaten belangt zu werden, wodurch Kosten und Verzögerungen vermieden werden. Wir schlagen vor, den Rahmenbeschluss über die Übergabe von Gefangenen in vollem Umfang zu nutzen, damit britische Bürger, die ausgeliefert und verurteilt werden, nach Großbritannien überstellt werden können, um ihre Strafe hier zu verbüßen.
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Wo ein britischer Staatsangehöriger im Ausland verurteilt wurde, zum Beispiel in Abwesenheit, und jetzt einem Europäischen Haftbefehl unterliegt, werden wir – mit seiner Erlaubnis – darum ersuchen, den Haftbefehl aufzuheben, und statt dessen die Regelungen über die Übergabe von Gefangenen anwenden. Diese Änderung hätte die Auslieferung von Michael Binnington und Luke Atkinson verhindert, die nach Zypern überstellt wurden, nur um sechs Monate später wieder nach Großbritannien zurückgeholt zu werden.
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Um in anderen Fällen verhindern zu können, dass überhaupt eine Auslieferung stattfindet, will ich dafür sorgen, dass eine Person entweder, wenn sie einverstanden ist, vorübergehend überstellt wird, um eine Befragung durch die Behörden des ausstellenden Staates zu ermöglichen, oder dies etwa in einer Videokonferenz tun kann. Bei Unschuld einer Person sollte dies dazu führen, dass das Auslieferungsersuchen zurückgezogen wird.
Dies alles sind Änderungen, die im britischen Recht vorgenommen werden können und die die Oppositionspartei während ihrer Zeit in der Regierung hätte vornehmen können. Die Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Kriminalität ist wichtig, aber wir müssen auch die Rechte der britischen Bürger schützen, und mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen werden wir das tun.
Europol
Bevor ich zum Schluss komme, bin ich mir bewusst, dass einige Abgeordnete wissen wollen, wie wir zu der neuen Europol-Verordnung stehen. Lassen Sie mich sagen, dass ich die hervorragende Arbeit von Europol und seinem britischen Chef Rob Wainwright absolut zu schätzen weiß. Die Abgeordneten erinnern sich vielleicht an Operation Golf, eine gemeinsame Operation unter Federführung von Europol und der Metropolitan Police, bei der ein in Ilford aktiver Menschenhändlerring ausgehoben wurde und die zur Befreiung von 28 Kindern und Festnahme von 126 Verdächtigen führte. Aus Gründen wie diesen schlagen wir vor, dass wir uns erneut an Europol beteiligen.
Zu diesem neuen Vorschlag hat die Regierung heute einen Antrag vorgelegt als Grundlage für eine Debatte „im Stil von David Lidington“ im Plenum nächste Woche, nach der Debatte und Abstimmung über den Plan, den ich heute beschrieben habe. Dieser Antrag besagt, dass wir uns nach der Verabschiedung beteiligen sollten, sofern Europol nicht die Befugnis erhält, einzelstaatliche Strafverfolgungsbehörden anzuweisen, Ermittlungen einzuleiten oder Daten auszutauschen, wo dies mit unserer nationalen Sicherheit in Konflikt steht.
Mr Speaker, ich bin der Meinung, dass es aus politischen, grundsätzlichen und pragmatischen Gründen im Interesse Großbritanniens liegt, von seinem Opt-out-Recht Gebrauch zu machen und einem viel kleineren Katalog von Maßnahmen neu beizutreten, die uns helfen, im Kampf gegen schwere und organisierte Kriminalität mit unseren europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten. Außerdem glaube ich, dass die britische Regierung den richtigen Ausgleich finden muss zwischen einer angemessenen Strafverfolgung und dem Schutz unserer traditionellen Freiheitsrechte. Was ich heute beschrieben habe, wird diesen beiden Zielen gerecht werden, und ich empfehle dem Haus diese Erklärung.